Long, long time ago

Schon fast vergessen, möchten wir an dieser Stelle eine Aktion dokumentieren, die sich am 25. August 2016 anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung des AfD Kreisverband Weserbergland im Hamelner Hotel Mercure ereignet hat. Parallel zu einer Kundgebung der Linksjugend [’solid] Hameln-Pyrmont haben etwa 30 Antifaschist*innen direkt vor dem Hotel Mercure ihren Protest gegen die AfD zum Ausdruck gebracht. Zudem wurde auf der Kundgebung ein Redebeitrag abgespielt, der auf dem nachfolgenden Flugblatt (1 | 2) wiedergegeben ist. Lesenswert – wie wir finden.

Redebeitrag gegen die AfD Wahlkampfveranstaltung in Hameln
Der vollständige Text ist zusätzlich hier zu finden:

Der nachfolgende Text richtet sich an all jene, die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nicht als Lösung der drängenden Fragen dieser Welt betrachten und die Hoffnung auf ein gutes Leben für alle noch nicht aufgegeben haben. Er beschäftigt sich angesichts der heute am 25. August 2016 im Hotel Mercure in Hameln stattfindenden Veranstaltung des völkisch-nationalistischen AfD Kreisverband Weserbergland im Speziellen und vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Allgemeinen mit der Frage:

„Was ist das für 1 Life?“

Das Problem AfD
Rassistische Hetze, Brandanschläge und gewalttätige Übergriffe sind mittlerweile trauriger Alltag in der BRD geworden. Unübersehbar verschiebt sich das gesellschaftliche Klima immer weiter nach rechts. Dabei spielt nicht nur die Alternative für Deutschland (AfD) eine Rolle. Das autoritäre Milieu ist größer, und viele fühlen sich von dieser Partei nicht repräsentiert. Dennoch ist sie der Kern einer gar nicht so neuen rechten Bewegung in der BRD, die sich gerade wieder ihrer selbst bewusst wird und schon jetzt sowie in den kommenden Monaten aggressive Wahlkämpfe betreiben wird. Bei diesen Wahlkämpfen geht es daher auch darum, ob sich die AfD etablieren kann.

So oder so: Die AfD ist eine Bedrohung. Für uns alle.
Spätestens seit der Spaltung der AfD im Juli 2015 wird immer deutlicher, dass die Partei sich einem offen rechten Kurs verschrieben hat, der von einer allgemeinen Hetze gegen Migrant*innen, antimodernen Ressentiments und einem starken Nationalismus geprägt ist. Der AfD Kreisverband Weserbergland positioniert sich dabei seit jeher am rechten Rand dieser ohnehin weit rechten Partei und ist den völkisch-nationalistischen Zusammenschlüssen „Patriotische Plattform“ und „Der Flügel“ um den Thüringer Rechtsaußen, Björn Höcke, zuzurechen.

Die so genannte „Flüchtlingskrise“ und ihre Skandalisierung zur „Bedrohung Deutschlands“ bilden dabei den ideologischen Dreh- und Angelpunkt der Partei. Zahlreiche andere Elemente völkischer Ideologie, etwa ein reaktionäres Familien- und Frauenbild, Biologismus, kulturalistische Vorstellungen und ein ausgeprägtes Führerprinzip schließen daran nahtlos an.

Die AfD macht sich mit ihrem völkischen Nationalismus zur parteipolitischen Repräsentantin der „besorgten Bürger*innen“ und des braunen Mobs von PEGIDA und Co. Sachsen macht dabei vor, wie bedrohlich eine solche Allianz werden kann. Je mehr Wahlkämpfe die AfD gewinnt, desto mehr kann sie sich institutionalisieren und zum bundesweiten Rückgrat dieser neuen Rechten werden.
Durch ihr geistiges Brandstiftertum ist die AfD für die zahlreichen Anschläge auf Menschen mit Migrationshintergrund und deren Unterstützer*innen sowie die unzähligen brennenden und gefluteten Asylunterkünfte mitverantwortlich.

Die AfD ist zugleich die Partei der (oft kaum dreißigjährigen) Meckeromas und Meckeropas, die sich permanent belogen und betrogen fühlen und jeden Hinweis auf den Unsinn ihrer Behauptungen mit der Aussage kontern, dass dies aber „ihre Meinung“ sei. Dieses faktenresistente Beharren auf dem eigenen Standpunkt geht auf den Drang zurück, sich die widerspruchsvolle Wirklichkeit so widerspruchslos zu machen, dass sie auf einen Bierdeckel oder besser noch in einen Facebook-Kommentar passt. Die aufdringliche Rechthaberei, die damit verbunden ist, hat sich früher vor allem in den Leserbriefspalten der Regionalzeitungen ausgetobt. Im Internetzeitalter hat sie sich zu vollständiger Enthemmung gesteigert und ist zu einem Massenphänomen geworden, dem die AfD in die Wahllokale und Parlamente verholfen hat.

Die AfD hat es zudem durch ihre Abschottungsrhetorik geschafft, den gesellschaftlichen Diskurs massiv nach rechts zu verschieben. Die etablierten Parteien übernehmen die Stichworte von „Obergrenze“ bis „Asylflut“ nicht zuletzt, weil sie um ihre Wähler*innenschaft fürchten. Themen, die bisher nur am rechten Rand zu finden waren (z. B. Abschiebung „krimineller Ausländer“), werden von CDU bis Linkspartei salonfähig. Während die große Koalition und die Grünen Gesetze im Monatstakt verschärfen, können sie der AfD und ihren Fans auf der Straße nie rassistisch genug sein.

Das bedeutet: Die AfD ist Wegbereiterin für Angsträume, ganz konkret und im erweiterten Sinne. Für uns heißt das: Wir müssen ihr die Räume nehmen. Die laufenden und kommenden Wahlkämpfe sind dafür eine gute Gelegenheit.

Dabei ist jedoch noch festzustellen, dass von all diesen guten Gründen, gegen die AfD, die Festung Europa und ihre Fans zu protestieren, auch einigen Leuten, von denen wir zeitweise Zustimmung erhalten, kaum einer einfällt. Die Dümmeren vergleichen Höcke schon mal mit Göbbels und verharmlosen damit in bester antifaschistischer Absicht den Nationalsozialismus. An dieser Stelle gilt es für einen Antifaschismus, der es mit dem guten Leben für alle ernst meint, sich zu keinem Zeitpunkt innerhalb der politischen Auseinandersetzung einer verkürzten Kritik hinzugeben.

Migration, Armut und Vertreibung haben viele Faktoren, meistens aber liegen ökonomische und geostrategische Ursachen zugrunde. Die Motoren der großen Fluchtbewegungen unserer Tage sind der Normalvollzug des Kapitalismus und die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte sowie die aus der individuellen Ohnmacht entspringende Empfänglichkeit weiter Teile der Bevölkerung für religiöse oder völkische Wahnvorstellungen und andere autoritäre Krisenlösungen.

Nicht zuletzt der Exportweltmeister Deutschland hat in den letzten Jahren von der so genannten „Krise“ profitiert. Die Folgen dieser Außen- und Wirtschaftspolitik klopfen jetzt an die Tür. In der Krisensituation, in der sich Europa und die Welt zurzeit befinden, erscheint vielen Menschen eine autoritäre, völkische Abschottung als Alternative. Doch das, wofür die AfD steht, bedeutet eine brachiale Verrohung der Verhältnisse – nach Innen wie nach Außen. Gegen ihre Hetze setzen wir unsere Solidarität. Um den rassistischen Täter*innen auf den Straßen, an den Schreibtischen, in den Parlamenten und an den Zäunen begegnen zu können, müssen wir uns gegenseitig helfen, gemeinsam kämpfen und uns organisieren.

Fordern wir die Zukunft zurück – fangen wir mit der AfD an, indem wir ihr und ihren verrohten Fans deutlich machen: „Nationalismus ist keine Alternative – die befreite Gesellschaft schon!“

Wir fordern: Luxus für alle und Straßen aus Zucker!
www.nationalismusistkeinealternative.net